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Erstellt am 21.07.2019

Die Osterweiterung des Euro

von Reinhard Göweil

Im Jänner 2018 bewarb sich Bulgarien offiziell um Teilnahme am sperrig klingenden „Wechselkursmechanismus II“ (WKM). Dahinter verbirgt sich das zweijährige Wartezimmer für die Einführung der Gemeinschaftswährung Euro für EU-Mitgliedsstaaten. Nun ist es für Bulgarien bald soweit, ist aus europäischen Zentralbankreisen zu hören. Bulgarien will noch am 1. Oktober 2019 den letzten Schritt Richtung Euro machen. Wahrscheinlicher ist der 1. Jänner 2020, da sich Brüssel nach den Europawahlen erst sortieren muss. Die für diese Entscheidung wichtige Europäische Zentralbank (EZB) steht überhaupt vor einem Führungswechsel. Christine Lagarde übernimmt am 1. November 2019 von Mario Draghi das Präsidentenamt. In Brüssel wird erwartet, dass Draghi die Euro-Erweiterung seiner Nachfolgerin überlassen wird.

Für das Euro-System ist die Größe Bulgariens kein Problem

Bulgarien wird damit 2020 de-facto Mitglied Nummer 20 der Euro-Zone, da es ab diesem Zeitpunkt auch an der EU-Bankenunion teilnimmt. Der Wechselkursmechanismus bestimmt, dass die jeweilige Landeswährung maximal 15 Prozent auf oder ab zum Euro schwanken darf. Dieses „Kursband“ muss zwei Jahre lang eingehalten werden. In der Zeit verpflichtet sich allerdings auch die EZB, bei Devisenspekulationen für diese Währung, im Fall Bulgariens der Lew, zu intervenieren. Damit erhöht sich die Schlagkraft der nationalen Notenbank enorm, Spekulationsattacken sollen entmutigt werden. In den vergangenen fünf Jahr hat der Lew kein einzigesmal das 15prozentige Band verlassen.

Die sogenannten Maastricht-Kriterien erfüllt das EU-Mitglied Bulgarien voll und ganz – und sogar besser als die meisten Euro-Länder. Das Land erwirtschaftet einen Budgetüberschuss, die öffentliche Verschuldung liegt bei 22 Prozent, die Inflationsrate bei 2,5 Prozent. Das Wirtschaftswachstum pendelt zwischen 2,5 und drei Prozent. Auch im Bankensektor wurde einigermaßen aufgeräumt, vor allem wurde – so eine CEE-Studie der Raiffeisen Bank International – der Prozentsatz notleidender Kredite deutlich auf 11,2 Prozent gesenkt. Das dauerhaft größte ökonomische Problem ist die schrumpfende Bevölkerung. Seit 2016 sank die Einwohnerzahl um fast 200.000 auf sieben Millionen – die erwerbsfähige Bevölkerung sinkt derzeit um ein Prozent jährlich.

Hauptproblem ist nach wie vor die Korruption

Das kurzfristig zu lösende Problem Bulgariens bisher war ein politisches. Laxe Regulierung und Korruption führten zu einer Reihe von Skandalen. Vor allem die EZB stand daher bisher auf der Bremse. Geldwäsche; Korruption; Banken, die über Briefkastenfirmen in Steueroasen dem Treiben hilfreich zur Seite standen, sorgten bei den Bankenaufsehern für wenig Lust, dafür auch noch das Euro-System zur Verfügung zu stellen.

Seit zwei Jahren räumt Bulgarien – etwa im Vergleich mit Rumänien – aber auf. Die Praxis, Investoren die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wurde gesetzlich verboten. Verhaftungen, Bank-Razzien waren plötzlich möglich, Staatsanwälte ermittelten wöchentlich in neuen Causen. Trotz der Bemühungen liegt Bulgarien immer noch auf dem schwachen Platz 77 des Korruptionsindex.

Die Bankenunion würde Bulgarien strengere Regulierung bringen

Wirtschaftlich und im Finanzsektor gab es aber so deutliche Fortschritte, sodass die EZB den Beitritt Bulgariens zum Wechselkursmechanismus akzeptieren wird. Der bulgarische Finanzsektor würde damit sofort auch in die europäische Aufsicht aufgenommen werden. „Es wäre auch kein Schaden, wenn Frankfurt aufpasst, und nicht Sofia“, meinte ein Banker recht salopp. „Für das Euro-System wäre Bulgarien eine überschaubare Größe“, ist auch EZB-Kreisen zu hören.

Das Eigenkapital der Banken ist 2018 binnen Jahresfrist um zehn Prozent gestiegen. Sechs bulgarische Banken wurden von der EZB jüngst einem Stresstest unterzogen, das Ergebnis soll im späten Sommer vorliegen. Die bisherigen Erkenntnisse – so ist inoffiziell zu hören – sprechen für Bulgarien.

Sofias‘ Regierungschef Bojko Borissow hat gute Karten in der EVP

Widerstand ist eher von den Euro-Mitgliedsstaaten zu erwarten, die der Aufnahme Bulgariens zustimmen müssen. Ministerpräsident Bojko Borissow und seine Partei sind Mitglied in der Europäischen Volkspartei. Und er hat am Ende – nach anfänglichem Widerstand – der Wahl von Ursula von der Leyen zur Kommissionspräsidentin zugestimmt. In Brüssel ist zu hören, dass er sich dies mit breiter Unterstützung zum Euro-Beitritt versüßen ließ. Auch die EU-Kommission muss dazu eine Einschätzung abgeben.

„Der Druck auf die EU-Kommission steigt, beim Beitritt des Westbalkan tätig zu werden“

Mit dem Eintritt Bulgariens wird – so wird in Wien erwartet – auch Kroatien stärker Druck machen.  Das jüngste EU-Mitglied hat Mitte 2018 einen Beitrittsantrag für den Wechselkursmechanismus gestellt und will ebenfalls in den Euro. Es wäre Nummer 21.

Dem Vernehmen nach muss Kroatien, deren Landeswährung der Kuna ist, aber noch warten. Denn dem Land gelingt zwar ein halbwegs ausgeglichenes Budget, hat aber Probleme bei der Staatsverschuldung. Sie wurde zwar seit 2016 von 80 auf 74 Prozent (gemessen an der Wirtschaftsleistung) reduziert, liegt aber deutlich über den geforderten 60 Prozent. Dies führt dazu, dass die EZB bei Kroatien bremst. Aber dass dieses Land Nummer 21 der Euro-Zone wird, ist unbestritten.

Diese „Ost-Expansion“ des Euro erhöht den Druck auf die EU, bei den Beitrittsverhandlungen mit anderen Westbalkanländern endlich Gas zu geben. In Brüssel erwarten die Experten, dass die neue Kommission hier relativ rasch Akzente setzen wird. Auch um zu dokumentieren, dass die Länder Ex-Jugoslawiens und Albanien nicht Russland und China überlassen werden. Nord-Mazedonien, Albanien, Kosovo, Bosnien-Herzegowina, vor allem aber Serbien sollen demnach in die EU integriert werden. Wann genau steht in den Sternen, 2025 ist ambitioniert. Eine erste Möglichkeit ist eine „Balkan-Freihandelszone“, die in den EU-Binnenmarkt so weit wie möglich integriert wird. Auch hier gibt es Widerstand von Mitgliedsländern. Allerdings fehlt die Alternative.