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Erstellt am 21.02.2021

Ein Volk von Aktionären

von Reinhard Göweil

„Wir warten auf den Wendepunkt (Durchimpfung, Anm.d.Red.), und ich sehe den noch heuer.“ Die Worte von Erste Group-Chef Bernhard Spalt in Gottes Ohr. Der sprach sie im Interview mit dem TV-Kanal von brutkasten.com, einem Medienunternehmen für digitale Aktivitäten. Interessant war eine Zahl, die der Sparkassen-Obere nannte: Die Covid-Pandemie habe bisher in heimischen Unternehmen etwa 20 Milliarden Euro Eigenkapital vernichtet, die in einem unvermeidlichen Aufschwung den Unternehmen fehlen und ihn bremsen könnten. Spalt wies darauf hin, dass wegen exorbitant gestiegenen Sparquote auf 14 Prozent der Bruttoeinkommen mehr als genügend Geld da wäre. Spalt: „In einer Zeit, in der man mit Sparbüchern keine Zinsen verdienen kann, aber die Sparquoten dennoch hoch sind und Kapital veranlagt werden soll, geht es darum, welche attraktiven Veranlagungsmöglichkeiten man hat, die österreichischen Unternehmen zur Verfügung gestellt werden können.“

Damit ist er nicht der erste Bank-Chef, der das erkennt und er wird auch nicht der letzte sein. Die Erfahrungen der Vergangenheit geben ihm aber unrecht, wenn er meint: „Und da sind wir Banken extrem gut, im Sinne von Vermitteln von Überschuss an Veranlagemöglichkeiten.“ Besonders innovativ waren die heimischen Banken dazu bisher allerdings nicht, die Erfahrung spricht eher gegen sie.

„Stolz-auf-Wien-Fonds“ als Vorbild

Wie schon sein Vorgänger Andreas Treichl ist auch Bernhard Spalt kein Freund staatlicher Beteiligungen an Unternehmen, lobte aber ausdrücklich den „Stolz-auf-Wien-Fonds“ der Gemeinde. Dieser Fonds hat 40 Millionen Euro, die Hälfte von der Stadt Wien, um wegen Corona in Not geratenen Unternehmen unter die Arme zu greifen. Die Beteiligung beträgt maximal 20 Prozent und maximal sieben Jahre. Eine klare Vorstellung, was danach passiert gibt es derzeit nicht. Vorgesehen ist, dass die Anteile an den Alteigentümer zurückverkauft werden. Bisher gibt es vier Beteiligungen, darunter ist ein Gastro-Betrieb (das Vestibül im Burgtheater) und drei Gewerbebetriebe (Adamol Motoröle, compact-electric Schaltanlagen, Schmuck Frey Wille).

Im Expertenbeirat, der die Projekte prüft, sitzen immerhin Schwergewichte wie Alt-Kanzler Franz Vranitzky, Ex-Raiffeisen-Chef Christian Konrad und Ex-Bank Austria-Chef Erich Hampel.

Die im Oktober 2020 angekündigte Aufstockung des Fonds-Kapital mit neuen Kapitalgebern ist noch nicht vollzogen. Hinter dem Fonds steht die weitgehend unbekannte „Wiener Kreditbürgschafts- und Beteiligungsbank AG“, die ihren Geschäftszweck im Namen trägt und in dieser Form bereits seit 2012 besteht. Sie geht Bürgschaften und stille Beteiligungen an Wiener Unternehmen ein und gehört zu 25 Prozent der Gemeinde, der Rest verteilt sich auf Bank Austria, Erste, Raiffeisen und Wiener Städtische. Die städtische Förderbank ist immerhin an mehr als 450 Betrieben still beteiligt. Vergleichbares spielt sich in anderen Bundesländern derzeit auch ab.

Cofag kann Hilfen in Eigenkapital wandeln

Daneben gibt es die Möglichkeit, über die dem Bund gehörende Finanzierungsgesellschaft Cofag Garantien in Eigenkapital zu wandeln, wenn die Unternehmen die dafür anstehenden Kosten nicht tragen könnten. Die ausstehenden Garantien machen aktuell 4,7 Milliarden Euro aus. Wandlungen gab es bisher nicht, wurden aber – etwa bei der AUA – explizit erwähnt.

An öffentlichem Geld, das derzeit in privaten Unternehmen investiert sind, herrscht kein Mangel, und bei den Unternehmen ebenso. Aber die öffentliche Hand als dauerhafter Eigentümer?

Nun erinnern wir uns an die Finanzkrise, als die Banken erheblich unter Druck gerieten. Die wehrten sich mit Kräften, den Staat als Aktionär zuzulassen, brauchten aber das Kapital. Die Lösung in Form von Partizipationskapital war halbgar, für den Bund war das am Ende in Summe ein beträchtliches Verlustgeschäft. Ob Banken also hier glaubwürdig und entschlossen genug sind, Sparguthaben in Anteilsscheine zu „verwandeln“, kann durchaus kritisch gesehen werden. Spalt, der das Wiener Modell lobt, weist extra auf die siebenjährige Beschränkung hin. Die Frage, die Banken eigentlich beantworten sollten, lautet: Was passiert danach? Wenn der Alteigentümer nicht in der Lage ist, zurückzukaufen, wäre ein Publikumsmodell eine Möglichkeit.

Nun gibt es keine derartige Sparkultur in Österreich, es müssten Sparer zu Kleianlegern werden. Dazu benötigt es auch die Politik, die mit angeboten zur Vermittlung von Finanzwissen mithilft – und mit anfänglichen Steuer- oder Prämienmodellen (wie beim Bausparen). Die Banken müssten wiederum ein niederschwelliges Angebot machen, die Aufsichtsbehörden sollten dabei durchaus mitspielen. Wer aktuell ein sogenanntes Wertpapierdepot bei einer Bank eröffnet muss einen Rattenschwanz von Fragen beantworten und schriftlich bestätigen. Auf Online-Plattformen geht das bedeutend leichter und es ist auch viel billiger.

Auch hier würde es also wirtschaftspolitischer Maßnahmen benötigen, die in die Zukunft weisen. Österreichs Unternehmen mit ausreichend Kapital auszustatten, das könnte schon so ein Ziel sein. Denn irgendwann wird diese 20-Milliarden-Lücke geschlossen werden müssen und je nachhaltiger das passiert, desto besser. Denn es geht am Ende auch darum, die hohe Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, und den 72.000 jugendlichen Arbeitslosen (Stand Februar 2021) eine Perspektive geben zu können. Da tun sich Unternehmen mit ausreichendem Kapitalpolster doch viel leichter.

Austrian Growth Funds von RBI und C-Quadrat

Um noch mehr in die Zukunft zu blicken: Seit geraumer Zeit gibt es die Idee eines „Austrian Growth Funds“, der beinhaltet freilich eine gewisse Ausfallhaftung des Staates. Einen Fonds gleichen Namens starteten die RBI und die Investmentgesellschaft von Alexander Schütz, C-Quadrat. Der soll mit 200 Millionen Euro dotiert werden, seit der Bekanntgabe im Oktober 2020 hörte man wenig.

ÖGB-Chef Katzian für „Wiener Modell“ im Bund

ÖGB-Chef Wolfgang Katzian hat mittlerweile in der „Kronen Zeitung“ vorgeschlagen einen Staatsfonds einzurichten, der stille Beteiligungen an Unternehmen hält, vergleichbar dem beschriebenen Wiener Modell. Allerdings müsste zeitgleich ein privates Beteiligungsmodell aufgesetzt werden, um nach den geplanten sieben Jahren Beteiligungsdauer private Finanziers an der Hand zu haben. Rechtlich wird die Umwandlung von offenen Stundungen beim Fiskus und der Sozialversicherung in stille Beteiligungen schwierig, aber wie es so schön heißt: Wo ein Wille, da ist auch ein Weg.