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Erstellt am 02.02.2023

Fußball und Geschäft – „das nenn‘ i Brutalität“

von Reinhard Göweil

Korruptionsvorwürfe, umstrittene Austragungsorte von Weltmeisterschaften, Streit um sehr viel Geld, Klagen und Vorwürfe. Das alles organisiert von privaten Selbstverwaltungs-Organen wie Uefa und Fifa, die sich auch noch selbst kontrollieren. Fußball ist ein hartes Geschäft geworden, brutal – wie es Helmut Qualtinger in seinem Bonmot bezeichnete. Es geht aber nicht um Simmering und Kapfenberg, sondern um Real Madrid, Manchester City, Bayern München, Juventus Turin.

Die Brutalität hat einen Ursprung: Geld. So setzt der europäische Fußball etwa 28 Milliarden Euro um, errechnete eine Studie des Beratungsunternehmens Deloitte, Tendenz steigend. Der Welt-Fußballverband Fifa ist mit 7,5 Milliarden Umsatz ein Großkonzern – und mit einer Milliarde Gewinn ein sehr profitabler dazu. Zum Vergleich: Der ÖFB setzt etwa 60 Millionen Euro um.

Dazu kommen die Sportwetten, von denen mehr als die Hälfte auf den Fußball entfallen. Die Rede ist von mindestens 500 Milliarden Dollar. Wettanbieter sind natürlich interessiert, dass es möglichst viele hochklassige Spiele gibt. Im wettaffinen China lässt das Match Real Madrid gegen Liverpool die Kassen klingeln, Simmering gegen Kapfenberg weniger.

Dazu kommen die Übertragungsrechte in TV und Stream, die Einnahmen aus vollen Stadien mit 60.000 Zuschauern und mehr, Merchandising (Trikots, etc.) und – mit Respektabstand freilich – die immer noch enormen Ablösesummen für Spitzenspieler. Bandenwerbung ist dagegen eher was für unterklassige Vereine.

In Europa entfällt von den 28 Milliarden der Großteil auf die internationalen Bewerbe wie Champions League sowie die fünf großen Ligen in England, Spanien, Frankreich, Deutschland, Italien. Die englische Premier League führt darin unangefochten.

So viel Geld lockt Investoren an, die bekannte Klubs kaufen. Sie sind weniger an herrlichen Toren, Passes und sportlichen Feinheiten interessiert als an möglichst vielen Spielen der Spitzenklubs, also etwa jene 16 Vereine, die im k.o.-Modus ausmachen, wer Champions League-Sieger wird. Das bringt Geld. Diese 16 Klubs sind eigentlich immer dieselben, weil die mit ihrer Finanzkraft auch die besten Spieler verpflichten.

Am runden Ball und ihren 22 Spielern am Feld zerren also viele und materiell potente Kräfte. Bereits 2018 hatte Fifa-Präsident Infantino – kein Feind von Geld – die Idee, eine „Klub-WM“ zu begründen. Die besten Mannschaften der auf fünf Kontinente verteilten sechs Konföderationen (darunter die Uefa für Europa) sollten ihren Klub-Weltmeister in einem eigenen Wettbewerb ausspielen. Der Meister Südamerikas gegen den Meister Europas. Da klingelt die Kasse so laut, dass sich die Pummerin im Vergleich wie eine Fahrradglocke anhört. Die Idee scheiterte bloß, weil es kaum noch freie Spieltage gibt und selbst hochbezahlte Profis Zeit für Training und Regeneration benötigen.

Und weil es dabei um immer mehr Geld geht, steigen die Begehrlichkeiten. Die Eigentümer der europäischen Großklubs wie Real Madrid und Manchester City hatten also die Idee einer Superliga. Die besten 20 Mannschaften Europas sollten eine Meisterschaft unter sich ausspielen. Kein k.o.-System wie in der Champions League, sondern eine richtige Meisterschaft. Nachgereicht wurden von den Initiatoren, einer spanischen Gesellschaft, eine „2. Liga“ mit ebenfalls 20 Mannschaften. Dort hätten sich die Spitzen-Klubs der kleineren Länder getroffen, beispielsweise RB Salzburg aus Österreich.

Die Einnahmen dafür wären natürlich von der existierenden Uefa und ihren nationalen Verbänden abgeflossen, was deren Aufschrei auslöste. Sie kündigten an, die Mannschaften aus den nationalen und europäischen Bewerben auszuschließen. Dass die Fan-Klubs der Großvereine daraufhin lauthals protestierten und mit Boykott der Spiele drohten, wurde von der Uefa wohlwollend begleitet – und legte die hochfliegenden Pläne erst einmal auf Eis.

Im Hintergrund geht das Gerangel aber weiter. Da die Uefa ein privates Konstrukt ist und kein staatliches, landete die Sache bei der europäischen Wettbewerbsbehörde und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Die Solidaritäts-Pyramide der UEFA

Deren Generalanwalt hat im Dezember 2022 eine Expertise abgegeben. Dieser Generalanwalt ist eine Art „verbindliche Vorprüfung“, meist folgen die Richter im EuGH der Empfehlung ihres Generalanwalts. Bei dieser Prüfung stellte er fest, dass FIFA und UEFA den Wettbewerbsregeln der EU nicht widersprechen. Er lässt der Superliga dabei aber ein paar Fenster offen. So verweist die Begründung, warum die europäische Organisation des Fußballs so in Ordnung geht auf drei Pfeiler: Pyramidenstruktur, offene Wettbewerbe und finanzielle Solidarität. Basis ist der Amateursport, ganz oben steht der Profi-Sport. Die nationalen Ligen mit ihren Auf- und Abstiegsmöglichkeiten von Vereinen sei ein offenes System. Und die finanzielle Solidarität wird erklärt, dass die enormen Summen im Profi-Fußball auch den Amateur-Vereinen zugute kommt. Diese finanzielle Umverteilung von oben nach unten sei Wesen des europäischen Sports, so der Generalanwalt.

Daher dürfe die UEFA jene Vereine und ihre Spieler sanktionieren und ausschließen, die in der konkurrierenden Superliga spielen sollen. Wie gut diese „Pyramide“ gelebt wird, wurde vom Generalanwalt nicht geprüft, es beschrieb das grundsätzliche System. Und er ließ der Superliga eine Tür offen.

So schließt der Generalanwalt, „…dass die Gründung eines neuen europaweiten Fußballwettbewerbs unter Vereinen einem System der vorherigen Genehmigung unterworfen werde, geeignet seien, die Bestimmungen des AEU-Vertrags über die wirtschaftlichen Grundfreiheiten einzuschränken, diese Einschränkungen durch legitime Ziele, die mit den Besonderheiten des Sports zusammenhingen, gerechtfertigt sein könnten. In diesem Kontext könne sich die Anforderung eines Systems der vorherigen Genehmigung unter Berücksichtigung der Besonderheiten des vorgesehenen Wettbewerbs als hierfür angemessen und erforderlich erweisen.“

Super-Liga ist noch nicht aus dem Rennen

Das sprachliche Geschwurbel bedeutet juristisch, dass die Superliga, wenn es eine klare Alternative zum existierenden UEFA-System entwickelt, gerechtfertigt sein könnte. So weit sind deren Repräsentanten nicht, was die UEFA zu Recht als Erfolg wertet. Allerdings sind die Eigentümer der Spitzen-Vereine der Superliga so potent, dass sie ein solches System durchaus entwickeln könnten.

Die FIFA, deren wichtigstes Mitglied Europa also die UEFA ist, begann also gegen zu steuern. Deren Präsident Infantino hat es – so Medienberichte – über seine guten Kontakte zu Russlands Präsident Putin geschafft, dass der damalige Chelsea-Eigentümer, der russische Unternehmer Abramowitsch die Zustimmung zur Superliga zurückzog, ein herber Schlag. Was geht Russlands Präsident der europäische Fußball an? Nun, Einflussmöglichkeiten. Gazprom war lange Zeit wesentlicher Sponsor europäischer Großklubs – etwa Borussia Dortmund. Der FIFA-Präsident tut sich bis heute hart, den Krieg Russlands gegen die Ukraine klar zu benennen.

Viel Politik rund um den Ball

Neben den wettbewerbsrechtlichen Gründen gibt es also im Fußball handfeste politische Interessen. Die arabischen Öl-Staaten haben den Fußball als Einfallstor zur Beeinflussung europäischer Interessen erkannt. Der alternde Star Ronaldo spielt nun in Saudiarabien, die WM in Quatar wird als Erfolg gefeiert. Der Investmentfonds des saudischen Königshauses kaufte in England den Klub Newcastle United und mit enormen Aufwand Spitzenspieler. Aus dem Abstiegskandidaten wurde so in der laufenden Saison ein Spitzenklub, er befand sich im Februar 2023 auf jenen Tabellenplätzen, die zur Champions League qualifizieren. Früher kauften sich reiche Leute Medien, um politisch größeren Einfluss zu gewinnen. Nun scheint diese Rolle der Fußball übernommen zu haben.

Ob sich das durch die Super-Liga ändert darf bezweifelt werden, doch eine Frage bleibt bestehen: Was der Amateur-Sport davon hat erschließt sich nicht unmittelbar. Die Super-Liga hat angekündigt, nicht näher „Solidaritätszahlungen“ in Höhe von zehn Milliarden Euro zu leisten.

Wie es nun weitergeht, hängt an der spanischen Gesellschaft, die Betreiber der Super-Liga sein will. Ihr Chef ist der Präsident von Real Madrid. Allgemeiner Tenor ist, dass die Bewertung des Generalanwalts des EuGH einen herben Dämpfer bedeutet. Ob am Ende nicht doch der Lockruf des Geldes stärker ist, wird sich zeigen.