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Erstellt am 07.12.2023

„Gut gedacht ist oft das Gegenteil von gut gemacht“

von Reinhard Göweil

„Struktur-Sklerose“ beschrieb es der politisch erfahrene Hannes Androsch und auch beim Finanzsymposium Alpbach 2023 ging es um die Frage, ob Europa und damit auch Österreich überreguliert sind. Verhindern regulatorische Vorschriften und eine überfleißige Bürokratie Innovation und Unternehmertum? Die Antwort lautete Ja. Was bei den Industriellen Christoph Swarovski (Tyrolit) und Axel Kühner (CEO Greiner) kaum verwundert. Die Kärntner Unternehmerin Christiane Holzinger meinte gar, viele Beamte sähen Unternehmer als Feinde. „Wir müssen das Unbekannte zulassen anstatt es gleich zu verbieten.“ Bei Start-ups gehe es mittlerweile um „Insolvenzen statt Innovationen“, Risikokapital sei im Vergleich zu den USA deutlich weniger ausgeprägt.

Axel Kühner, 2023 Noch-Chef des global tätigen oberösterreichischen Kunststoff-Erzeugers Greiner mit mehr als 11.000 Mitarbeitern in 30 Ländern, sieht das differenzierter. „Regulierung ist per-se nicht schlecht. Sie kann auch Sicherheit schaffen und auf dieser Basis Investitionen ermöglichen und Innovation befeuern. Das europäische Problem heißt eher Umsetzung. Oftmals werden gute Ideen durch eine schwache Umsetzung konterkariert.“

Aktuelles Beispiel sei das Kunststoff-Recycling. Eigentlich sollte das Geschäft – im Sinne der von der EU geförderten Green- und Kreislauf-Wirtschaft – boomen, es ist aber das Gegenteil der Fall. „Für das Kunststoff-Recycling ist das das schlimmste Jahr. Viele Unternehmen reduzieren Kapazitäten, andere sperren zu“, sagte der Chef der Greiner-Gruppe, Axel Kühner in Alpbach. Der Grund liegt – so Kühner – in einer geplanten EU-Richtlinie, die Sammelquote bei Kunststoff bis 2030 von 20 auf 30 Prozent zu erhöhen. Die wird allerdings nun auf nationaler Ebene gehörig durchlöchert. „Das schafft Unsicherheit, die Recyclingunternehmen haben aufgehört zu investieren. Eine klare Regelung wäre weitaus effektiver gewesen.“

Die Probleme im Recycling

Die Folgen: Es gibt in Europa zu geringe Recycling-Kapazitäten, was dazu führte, dass der Preis für recyceltes Plastik höher ist als für neu produziertes. Es gibt also für Unternehmen wie Greiner wenig Anreiz für Kreisläufe. Und das knappe Angebot in Europa führt dazu, dass deren Preise höher sind als in Asien, wo es ebenfalls Recycling-Systeme gibt. 1100 Euro je Tonne in Europa vs. 700 Euro je Tonne in Asien, so das ungefähre Verhältnis, weil es ja auch unterschiedliche Kunststoffe gibt. Das wiederum führt dazu, dass Asien sein rezykliertes Plastik in Europa verkauft, zu den viel besseren Preisen. Und das wiederum drängt europäische Unternehmen aus dem Markt.

Eine gute Idee wurde in ihr Gegenteil verkehrt, weil eben die Regulierung nicht exakt genug griff. „Bei FCKW (Gase, die das Ozon-Loch in der Atmosphäre vergrößerten, Anm.) hat es funktioniert“, so Kühner. „Es wurde schlicht verboten, die Industrie wurde innovativ und hat neue Produkte entwickelt.“ Ein Beispiel für rigide, aber funktionierende Regulierung.

Unklarheiten bei der Regulierung zu beseitigen und europaweit gültige Regelungen festzuschreiben, scheint langsam in der Politik anzukommen, stellte auch Christoph Swarovski fest, der auch Präsident der Tiroler Industriellenvereinigung ist. „Politiker erkennen zunehmend, dass es zuviel ist.“ Dem müssten nun Taten folgen, da Regulierung natürlich ein Kostentreiber in Unternehmen ist.

Föderalismus als Hemmschuh

Markus Richter, Finanzvorstand von Rosenbauer (Weltmarktführer bei Feuerwehrautos, Brandschutz), ortet noch ein anderes Problem, das auch für Österreichs Föderalismus gelten könnte. „Wir haben in der Schweiz 26 Kantone und jeder Kanton hat eigene Vorschriften für die Ausstattung von Feuerwehr-Ausrüstung. Das ist nicht einfach.“

Regulierung also ja, aber deutlich. Je verschwommener die Bestimmungen sind, desto höher sind die Kosten, die sie in den Unternehmen verursachen – siehe Recycling und Brandschutz. Wobei in der Recycling-Branche, die in der von der EU intendierten und geförderten Kreislaufwirtschaft wesentlich ist, noch ein Aspekt zum Tragen kommt. Der wird von der Politik derzeit weitgehend ausgeblendet. Die begrüßenswerte Mülltrennung verursacht bei steigenden Quoten in der Müllverbrennung ein Problem. Die ist technisch gut entwickelt, etwa durch Filter, und reduziert die Deponiemengen enorm. Fein getrennter Hausmüll, der verbrannt wird, entwickelt allerdings geringe Temperaturen. Das wiederum macht es notwendig – so Experten – dass Plastikmüll, der von Firmen und Haushalten getrennt wurde, in den Müllverbrennungsanlagen wieder beigemischt wird, da erst hohe Temperaturen von jenseits der 1000 Grad Celsius Schadstoffe im wahrsten Sinn des Wortes in Rauch aufgehen lassen. Die sind im Hausmüll immer schwerer zu erreichen. Und so wird bei der Verbrennung zusammengeführt, was vorher in Haushalten guten Willens getrennt wurde. Das ist kein Aufruf, Mülltrennung zu unterlassen, sondern zeigt eher, dass durch diese Trennung neue technologische Herausforderungen kommen. Es könnte die Temperatur auch erreicht werden, wenn mit Erdgas der Verbrennungsofen erhitzt wird, aber das ist wohl auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Um bei der Müllverbrennung wenigstens auf 1000 Grad erreicht werden und die Quoten bei der Trennung gleichzeitig steigen, ist eine der technologischen Fragen der Branche.

Die würden sie gerne lösen, aber das politische Credo besteht auf möglichst hohen Quoten bei der Mülltrennung und weniger auf die technologische Unterstützung neuer Technologien.

Ähnliches gilt für die erneuerbaren Energien. Hier ist die Regulierung säumig, die Verfahrensdauer für Windkrafträder und andere Anlagen erneuerbarer Energien sei viel zu lang, kritisieren Branchenvertreter.

Regulierung behindert „Green Investments“

Das wieder hat erhebliche Auswirkungen, wie der Chef der UNIQA-Versicherungsgruppe, Andreas Brandstetter jüngst im „Klub der Wirtschaftspublizisten“ feststellte. Diese lange Verfahrensdauer bei alternativen Energien-Erzeugern wie Wind, Sonne und Wasserkraft schränken – so Brandstetter – „die Möglichkeiten der Versicherer in Österreich ein, sich über Investitionen an der grünen Transformation zu beteiligen.“ UNIQA-Gruppe hat 21 Milliarden Euro an zu veranlagendem Vermögen, davon seien aber nur etwa 10 Prozent wirklich nachhaltig grün, so Brandstetter. Die UNIQA wäre durchaus bereit und in der Lage mehr zu investieren, könne aber nicht wegen der langen Verfahrensdauern. Das Problem zieht sich – so Brandstetter – durch die gesamte Versicherungswirtschaft, so der UNIQA-Chef. Mit einem zu veranlagenden Vermögen von 11 Billionen Euro weltweit sei die Versicherungswirtschaft der mit Abstand größte Investor. Die grüne Transformation werde nur gelingen, wenn die Versicherungswirtschaft diese Gelder auch in die richtige Richtung lenken kann.

Hier schließt sich der Kreis wieder, denn nicht die Regulierung an sich, sondern die fehlende Effizienz und ein gutes Ineinandergreifen dieser Regulierungen bei Investitionen und deren Finanzierungen wird von der Industrie an den Pranger gestellt.

Ob das Superwahljahr 2024 Reformen in diese Richtung politisch befeuern wird, das bezweifeln allerdings alle Experten – egal woher sie kommen…