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Erstellt am 04.02.2023

Inflation hat auch auf Politik toxische Wirkung

von Reinhard Göweil

„…führt der starke Anstieg der Inflation 2022 … bereits im gleichen Jahr zu deutlichen Ausgabenerhöhungen. Im Jahr 2023 überträgt sich die hohe Inflation schließlich auch auf die bedeutenden Ausgabenkategorien, wie Pensionen und Arbeitnehmerentgelte, sodass die Staatsausgaben im Jahr 2023 – trotz des deutlichen Ausgabenrückgangs (in Summe 5,2 Mrd. Euro) … um 4,7% gegenüber dem Vorjahr steigen.“

Diese Beschreibung des Fiskalrates in seinem jüngsten Jahresbericht bedeutet eigentlich nichts anderes, als dass die Republik Österreich unverdrossen über ihre Verhältnisse lebt. Bis 2026 soll das Budgetdefizit bei rund zwei Prozent verharren. Das liegt unter der „Maastricht-Grenze“ von drei Prozent pro Jahr, sodass hier keine EU-Vorgaben zu erwarten sind. Aber Schulden müssen halt in absoluten Zahlen bezahlt werden und nicht in relativen Prozent-Vergleichen. Die hohe Inflation und die hohen wirtschaftlichen Interventionen der öffentlichen Hand sorgen für auch bei der Wirtschaftsleistung, dem oft zitierten Bruttoinlandsprodukt (BIP), für starke Steigerungen. Lag dieser Wert 2021 noch bei 406 Milliarden Euro, so wird er 2024 bereits an der 500-Milliarden-Marke kratzen. Und dieser BIP-Wert ist der Nenner in der Prozentrechnung zu Defiziten. Im Klartext: Zwei Prozent Defizit waren 2021 noch acht Milliarden Euro, 2024 sind es bereits zehn Milliarden Euro. Der Staat kann also das Defizit statistisch stabil halten und trotzdem mehr Geld ausgeben.

Das wird von zur Wahl stehenden Politikern, die Bürgern lieber Geld geben als wegnehmen, weidlich ausgenutzt. Von 2020 bis inklusive 2024 wird der Staat für Covid-19-Maßnahmen, Kurzarbeit, Teuerungsausgleichs-Maßnahmen, Klimabonus insgesamt 78 Milliarden Euro ausgegeben haben, errechnet der Fiskalrat. Trotzdem bleit das Budgetdefizit stabil um zwei Prozent. Diese trügerische Sicherheit wird erkauft durch exorbitant steigende Steuer- und Abgaben-Leistungen der Bürger.

Noch ein Phänomen spielt in diese Zeit hinein: Die private Wirtschaft erweist als deutlich robuster als angenommen. Die Arbeitslosenrate ist mit 6,5 Prozent über die Jahre hinweg vergleichsweise niedrig, in vielen Branchen herrscht Personalmangel. Trotz der Delle im vierten Quartal 2022 wird es 2023 ein Wirtschaftswachstum geben. Und dies, obwohl zur Inflationsbekämpfung die EZB die Zinsen in kurzer Zeit von null auf drei Prozent angehoben hat und heuer noch Richtung vier Prozent gehen wird. Das dämpft normalerweise die Investitions-Tätigkeit. Davon ist – mit Ausnahme der ohnehin überhitzten Bauwirtschaft – wenig zu sehen. Der Grund dafür liegt ebenfalls in der Pandemie und den hohen öffentlichen Ausgaben. Vor allem größere Unternehmen, etwa in der Industrie, saßen schon vor Covid auf bequemen Finanzpolstern. Die zwei Covid-Jahre führten zu großer Vorsicht, da blieb der cash-flow im Unternehmen. Und dazu die Hilfen wie etwa die Kurzarbeit.

Hohe Finanzpolster in Unternehmen reduziert Wirkung der Zinserhöhungen

„Viele Unternehmen sind von den Zinserhöhungen nicht betroffen, weil sie ihre Investitionen aus eigener Kraft stemmen können“, ist aus der Nationalbank zu hören. Ursache Nummer 2 ist sicherlich die Überförderung, die sich aus Covid-Hilfen und der Kurzarbeits-Regelungen ergaben. Vor allem im Winter-Tourismus wurden die üppigen Förderungen durchaus genutzt, um eine Modernisierung in Hotels und Gastronomie wie Skihütten zu finanzieren, ohne großartig Bankkredite zu benötigen.

Steile Zinskurve ist für Banken großartig

Für die Banken selbst ist die neue Zinspolitik der EZB ein warmer Regen. Sie führt zu einer sogenannten „steilen Zinskurve“, also langfristige Veranlagungen wie Anleihen steigen überproportional an. Da ist gegenwärtig der Fall. Jüngste Veröffentlichungen wie jene der RBI, Unicredit (Mutter der Bank Austria) und der Schweizer Großbank UBS zeigen, dass deren Zinsspannen und Provisionsergebnisse deutlich stiegen. Für die treasury-Abteilungen von Banken sind solche Zinsentwicklungen ein sprichwörtlicher Schatz. Manche nennen das Spekulation, aber es gehört zum Bankengeschäft und es beschert Milliardengewinne. Die nette Definition lautet: Das Finanzsystem wird stabiler. Die weniger nette: Während sich bei den Guthabenzinsen wenig tut, wurden Zinssätze für Schuldner deutlich erhöht. Die mittlerweile erhebliche Differenz bleibt der Bank als Erlös. Daher können die Banken auch recht gut damit leben, dass die Großunternehmen ihre Investitionen zu hohem Ausmaß aus eigenem stemmen.

Startups und Städtetourismus leiden

Die Verlierer auf Firmenseite sind im wesentlichen startups, also Jungunternehmen und der Städtetourismus. Erstere kommen aufgrund der gestiegenen Zinsen immer schwerer zu Fremdfinanzierungen, etwa über Banken. Und in den Städten, vor allem natürlich Wien, ist die Buchungslage nicht annähernd so gut wie in den winterlichen Bergen, obwohl es dort recht üppige Preiserhöhungen, etwa für Liftkarten, gab.

Das alles erklärt Gewinner und Verlierer der aktuellen wirtschaftspolitischen Situation in Österreich, verringert aber die erschreckend hohe Teuerung nicht. Die liegt in einem anderen Bereich, und zwar bei der Preiskontrolle – nicht zu verwechseln mit staatlichen Preisfestsetzungen.  Eine solche Preiskontrolle gibt es bereits, sie wurde sogar von den Sozialpartner 2010 gemeinsam formuliert. Als „Urvater“ dafür darf die Preiskommission gelten, die 2002 anlässlich der Einführung des Euro kontrollierte, ob mit dem Umstieg vom Schilling zum Euro Körberlgeld gemacht wird. Das Tauschverhältnis lautete 1 Euro = 13,7603 Schilling. Die Befürchtung war, dass salopp 1:10 umgerechnet wird, weil bei Einführung niemand in Euro dachte, die neue Preise verwirrten. Im Handel wurde in einer Übergangszeit eine doppelte Preisauszeichnung durchgeführt, um den Vergleich zu erleichtern. Konsumenten konnten sich an die Kommission wenden, wenn sie überhöhte Preise zu erkennen glaubten. Der Wirtschaftsminister (damals Martin Bartenstein) veröffentlichte regelmäßig Berichte. Das Konzept funktionierte, die Betriebe hielten im Großen und Ganzen Preisdisziplin, die Inflation verharrte auf niedrigem Niveau.

In der jetzigen Phase wird das erneut gefordert, vor allem von Gewerkschaften und Arbeiterkammer. Der jetzigen Wirtschaftsminister Martin Kocher hat mit einem solchen Preiskontrollgesetz wenig Freude. Es ist tatsächlich schwieriger, da es sich nicht um einen sichtbaren Währungstausch handelt. Man müsste in die Kalkulation der Betriebe hineingehen, wogegen auch die Wirtschaftskammer Sturm lief.

Preiskontrolle wäre möglich

Ob diese Position dauerhaft haltbar ist, wird sich zeigen. Immerhin ist die Inflationsrate deutlich über dem EU-Durchschnitt. Auch die Kerninflation, also Energie und Lebensmittel herausgerechnet, liegt mehr als zwei Prozentpunkte über jener der EU, wie Neos-Lab errechnete.

Denn das zweite Problem ist die Psychologie: Selbst wenn alle Teuerungsausgleichszahlungen am Konto eingegangen sind, wird der Kontoinhaber, sprich Konsument, weiter verunsichert sein, wenn die Butter plötzlich mehr als drei Euro kostet. Das Füllhorn der öffentlichen Hand hebt das Vertrauen in der Bevölkerung nicht, das zeigen auch alle Umfragen. Der Präsident des Fiskalrates, Christoph Badelt, sagte jüngst in ORF III, dass der Staat nicht dazu ist, die Inflation zu reduzieren. Das ist ein kühner Satz und in der aktuellen Situation zu kurz gedacht. Länder wie die Schweiz und Spanien beschlossen sehr wohl Maßnahmen, die direkt auf die Preise wirkten. Deren Inflationsrate liegt denn auch signifikant unter jener Österreichs.

Kaum valide Daten mangels Verknüpfung

Neben den Zinsbeschlüssen der Europäischen Zentralbank wäre also ein Preiskontroll-Mechanismus ein durchaus probates Mittel, die Teuerung zu bekämpfen. Denn sonst bliebe jener Vorschlag der Sozialdemokratie, Steuern und Abgaben auf Produkte zu senken. Das wäre freilich wieder die berühmte Gießkanne. Zu Recht wird von Experten wie Christoph Badelt seit Monaten darauf hingewiesen, für mehr soziale Treffsicherheit zu sorgen. Hier gibt es anderes Problem: Die Datenlage in Österreich ist zwischen Bundes-, Landesbehörden, Sozialversicherung und Cofag enorm zersplittert und so manches Gesetz verhindert deren sinnvolle Verknüpfung. Ähnlich wie bei den Covid-Daten ist auch hier eine soziale Treffsicherheit mangels Datengrundlage nur schwer umzusetzen. Noch ein Versäumnis? Ja.