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Erstellt am 19.04.2020

Ist das 38-Milliarden-Coronapaket Österreichs treffsicher genug?

von Reinhard Göweil

Es war ein Paket, das sich sehen lassen konnte. 38 Milliarden Euro will die Republik im Kampf gegen die ökonomische Corona-Seuche einsetzen. Nirgendwo in Europa gebe es etwas Vergleichbares, so der Tenor von ÖVP und Grünen. Mittlerweile sind vier Wochen ins Land gezogen, und die für das Gesetz notwendigen Details, sprich Richtlinien, liegen weitgehend vor.

Nun macht sich Ernüchterung breit, die Zahlen geben dieser empirisch recht. „Es bleibt niemand zurück“, sagt Vizekanzler Werner Kogler unermüdlich. Trotzdem hat sich die Arbeitslosenzahl auf fast 600.000 seit März verdoppelt, ein Indiz, dass viele Unternehmen den politischen Versprechen nicht trauen und lieber kündigen statt Kurzarbeit oder Förderung anzumelden. Steuerberater und Banken geben den Kritikern recht. Denn die Ausführungsbestimmungen sind in vielen Fällen unklar, so die Kritik von mehreren Steuerberatern und Bank-Mitarbeitern, die um Anonymität gebeten haben.

Beispiel Härtefallfonds

Als zuständig für Bearbeitung und Auszahlung ist die Wirtschaftskammer Österreich ausgewählt worden. Schon das führte zu Kritik, weil die Finanzämter über alle relevanten Steuerdaten verfügen, und diese Aufgabe ebenso erledigen hätten können. Das bestätigen auch Finanzamtsleiter.

Der Härtefallfonds wurde mit einer Milliarde Euro dotiert und ist als Zuschuss für Kleinst- und Kleinunternehmen gedacht, die durch Corona Umsatzentfall verzeichnen. In Phase 1 gab es eine Einkommensuntergrenze von 5542 Euro pro Jahr, berechnet nach dem letztvorliegenden Jahresabschluss. Wer also 2017 oder 2018 weniger verdiente oder gar Verluste machte, fiel durch. Gerade bei Ein-Personen-Unternehmen kann es solche Jahre geben, wenn etwa IT-Investitionen anfielen und Projekte erst später abgerechnet werden. Dementsprechend schauen die Zahlen aus: In Phase 1 hat die WKO – aufgrund der Restriktionen – bis 16. April 110 Millionen Euro bewilligt, teilweise ausbezahlt. Am 17. April endete die Antragsfrist für die Milliarde.

In Phase 2 wurde der Härtefallfonds gleich auf zwei Milliarden Euro aufgestockt und der Bezieherkreis erweitert. Einkommensgrenzen entfielen, Neugründer wurden einbezogen. Die dazugehörigen Richtlinien des Finanzministeriums sollten bis 16. April feststehen, das verschiebt sich auf Montag, 20. April.

Dafür gibt es nun drei Zeiträume, bei denen der Umsatzentfall jeweils von Monatsmitte angegeben werden muss. Allein das ist laut Steuerberatern eine Kuriosität, üblicherweise wird von Monatsbeginn gerechnet. Zwischen Mitte März und Mitte Juni müssen Kleinstunternehmen, Freiberufler und Kunstschaffende nun ihren Umsatzentfall bekanntgeben – für jedes Monat ein eigener Antrag. Wer also gerade in einem Projekt steckt und dieses wird erst Ende Juni abgerechnet, hat Pech. Da es keine Einnahmen in den Antragsmonaten gab, kann auch kein Entfall angegeben werden. Es gibt also keine Hilfe. Für Neugründer ab 2020 gibt es eine Pauschalzahlung von 500 Euro pro Monat, wenn sie die Antrags-Hürde überwinden.

„Das Ganze ist ein Murks“

„Das Ganze ist ein Murks“, sagte ein befragter Steuerberater, selbst wenn er einräumt, selbst gut zu tun zu haben, da sich viele verzweifelte Unternehmer an ihn und seine Kollegen wenden.

Zusätzlich verschärft wird die Situation für betroffene Familien. Der von der Regierung heraus gestampfte Familienhärtefonds zahlt nur dann Geld aus, wenn der Härtefallfonds den Antrag genehmigt hat.

Die Banken kennen sich überhaupt nicht aus. Neos-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn weiß von einem Fall, bei dem der Kleinunternehmer in Phase 1 2000 Euro erhalten hat. Die Bank vergab darauf zwar einen 15.000 Euro-Kredit, zog sich aber eine Bearbeitungsgebühr von 2000 Euro dafür ab.

Beispiel Kurzarbeit

Die Regelungen sind zwar grundsätzlich großzügig, aber auch hier steckt der Teufel im bürokratischen Detail. Es ist vieles nicht geregelt. Lohnverrechnungs-Büro informieren derzeit ihre Kunden, dass sie keine korrekte Abrechnung der Kurzarbeit garantieren können. Das Risiko bleibt im Unternehmen hängen, vor allem für kleinere Firmen abschreckend. Denn Geld aus der Kurzarbeit wird frühestens im Juni fließen, bis dahin muss das Unternehmen das Geld vorschießen. Die Kurzarbeit wird vom AMS bewilligt, dafür stehen insgesamt fünf Milliarden zur Verfügung.

Die Banken akzeptieren einen positiven AMS-Bescheid zwar als „Sicherheit“, aber nur informell (Zessions-Verbot!). Auch hier wissen die Bank-Mitarbeiter nicht recht, wie damit umzugehen ist. Bei einer großen Sparkasse sollen dafür 0,5 Prozent der Kreditsumme als Bearbeitungsgebühr verrechnet worden sein.

Zweites Detail: Wer Urlaube noch nicht konsumiert hat, muss diese nun in Kurzarbeit aufbrauchen. Bei einer Kurzarbeit von 50 Prozent dauert es also doppelt so lange, bis dies geschehen ist. Darüber hinaus soll das AMS zuletzt 7000 Anträge wegen fehlerhafter Angaben zurückgeschmissen haben, diese Unternehmen fallen also entweder durch oder müssen noch länger warten.

Die Verdoppelung der Arbeitslosenzahl ist in starkes Indiz, dass viele Unternehmen diesen bürokratischen Weg scheuen und lieber kündigen. Genau das wollte die Kurzarbeit aber verhindern.

Beispiel Steuerstundungen

Bis 10. April wurden 118.075 Steuerstundungen bewilligt, laut Finanzminister Blümel insgesamt 3,17 Milliarden Euro. Diese Regelung gilt aber nur bis 30. September 2020. Niemand weiß, was am 1. Oktober passiert, da es dafür keine Verordnung gibt. „Ich rechne mit einer Insolvenzwelle im Herbst“, sagte ein Wirtschaftstreuhänder. „Bei der Rückzahlung der Steuerschulden kann es dann bis ins Finanzstrafrecht gehen, für Unternehmen ist das ein Horror.“

Beispiel Hilfsfonds/Cofag

Der soll die großen Unternehmen durch die Krise tragen. 15 Milliarden Euro stehen hier zur Verfügung plus neun Milliarden für staatliche Garantien. Pro Fall ist die Unterstützung mit 120 Millionen Euro begrenzt, das Unternehmen darf bis 31. Dezember 2019 nicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten gewesen sein.

Abgewickelt wird das ganz von einer staatlichen Agentur namens Cofag. Nachgebildet ist das Konstrukt der Banken-Abbaugesellschaft Abbag, auch die handelnden Personen sind weitgehend ident.

Cofag muss – so die Verordnung des Finanzministeriums – ihre Entscheidungen nicht begründen, es besteht auch kein Rechtsanspruch auf Hilfe. Die fehlende parlamentarische Kontrolle solch enormer Summen wurde bereits kritisiert. Ein (aber nur beratender) Beirat aus Sprechern der Parlamentsparteien und den Sozialpartnern wird von der Opposition abgelehnt. Zudem erhält der Finanzminister volle Einschau, wenn in Einzelfällen die 120 Millionen Euro überschritten werden. Das ist bei der AUA und bei den ÖBB der Fall. Alle Nutznießer müssen auch das Bankgeheimnis zu Gunsten der Cofag aufgeben.

Das Programm ist politisch gut gemeint

„Das Programm mag politisch gut gemeint sein, aber von den kolportierten Summen wird nur ein Bruchteil ausgegeben werden, weil die Durchführungen so harsch sind, dass Tausende Unternehmen entweder durchfallen oder sich lieber fernhalten“, sagte der erwähnte Steuerberater.

„Man hat die Beamten ins Homeoffice geschickt und dafür Berater engagiert“, ärgert sich Sepp Schellhorn (NEOS). „Und so schauen die Richtlinien und Verordnungen auch aus, vieles geht an der wirtschaftlichen Realität schlicht vorbei.“

Banken und die FMA

Und die Banken sind ebenfalls verunsichert. Die Finanzmarktaufsicht FMA müsste den Banken regulatorische Vereinfachungen zusagen. Denn die Risiko- und Kapitalvorschriften gelten weiterhin. „Viele Bankmitarbeiter, die solche Anträge bearbeiten, drohen bei späteren Bankprüfungen Konsequenzen, wenn sie die Vorgaben nicht einhalten. Hier sollte die FMA ein klares Wort sprechen, um Bankmitarbeiter zu entlasten“, ist informell aus OeNB-Kreisen zu hören. Diese Klarstellung soll angeblich kommen, aber eines wird sich nicht ändern: „Wer vor Corona keinen Kredit erhalten hat, wird ihn nun auch nicht bekommen.“

Wirtschaftsexperten fürchten daher, dass es im Herbst ein grimmiges Erwachen geben wird, mit noch höheren Arbeitslosenzahlen und einer beispiellosen Insolvenzwelle. Schellhorn verweist auf das Beispiel Schweiz. Dort hat der Bund das Risiko zu 100 Prozent übernommen, Kurzarbeit wurde sehr unbürokratisch abgewickelt. Die Arbeitslosenzahl ist in der Schweiz bis Mitte April um 32.000 gestiegen, was schon zu Schweißperlen auf der Stirn der Politiker führt. In Österreich sind es mehr als 200.000 Arbeitslose und 700.000 in Kurzarbeit. „Ein Teil dieser jetzigen Kurzarbeit-Jobs wird nicht zurückkommen, etwa im Tourismus“, glaubt der Steuerberater.