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Erstellt am 20.11.2018

Kommentar

Von Reinhard Göweil

Die größten Banken unterstehen weiterhin der Europäischen Zentralbank – Österreichs Neu-Ordnung macht künftige Bankenkrisen schwieriger zu handhaben – alle 4 Nationalbankdirektoren sollen ersetzt werden.
Am Anfang stehen zwei Sätze:
1. Die Organisation der Bankenaufsicht interessiert die meisten Menschen nicht.
2. Die nächste Finanzkrise kommt bestimmt – und wird viele Menschen ärmer machen.

Nun gibt es also die neue Reform der Bankenaufsicht wie von Finanzminister Hartwig Löger und Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs beschrieben. Hier geht es um Behörden-Strukturen, die dazu gegründet wurden, um die finanzielle Stabilität der Republik Österreich zu wahren, die Banken auf Kurs zu halten und – als ultima ratio – heimische Bankkunden vor Risken ihrer Institute bewahren, die sie selbst nicht einschätzen können. Und schlussendlich die Börse zu überwachen, die Versicherungen, und die Fondsgesellschaften.
Also eigentlich geht es bei diesen Regeln, die – abseits der Bedrohungen für Leib und Leben – recht essentiell für jeden Bürger dieses Landes.
Während aber Polizei, Bundesheer und soziale Sicherungsinstrumente wenig umstritten sind, geht es bei der Finanzmarktaufsicht derzeit eher salopp zu.

Die aktuelle Neuordnung der Behörde Finanzmarktaufsicht und der Nationalbank, die beide aus gutem Grund von der Regierung unabhängig konzipiert sind, atmet nicht nur eine gewisse Provinzialität, sondern eine bestürzende Ignoranz des globalen Finanzmarktes.
Bei der Finanzmarktaufsicht geht es grundsätzlich um die Erkennung von Risken, die einzelnen Finanzinstitutionen unbekannt oder – aus welchen Gründen auch immer – egal sind.
Die neue Bankenaufsicht wird allerdings die Frage, wer wofür verantwortlich ist, kaum lösen. Wenigstens ist dies aus den aktuellen Aussagen des Finanzministers zu entnehmen, eine dementsprechende Anfrage der „finanznachrichten“ an seinem Pressesprecher blieb unbeantwortet, ebenso erfolgte Rückrufe.

Was wissen wir?
Die Bankenaufsicht wandert von der Nationalbank vollends in die Finanzmarktaufsicht (FMA). Es war bisher aufgeteilt, und die FMA war jene Behörde, die Bescheide erließ. Aufsichtsagenden wandern künftig von der Nationalbank in die FMA, die dann keine behördlichen Bescheide mehr erlassen darf. Der „legistische Bereich“ wandet zurück ins Finanzministerium. Damit wird deren Unabhängigkeit politisch ausgehöhlt, weil sie nicht mehr selbständig entscheiden darf.
Andererseits bleibt die Nationalbank indirekt zuständig – innerhalb des Systems der Euro-Zentralbanken – für den systemrelevanten Banken. Bei Raiffeisen-, Sparkassen-Gruppe, Bawag, Sberbank Europe und VTB (beide letztere sind russische Banken mit Sitz in Wien) ist die EZB zuständig. Alle Vorgaben würden direkt von der EZB an diese Institute geleitet., die Republik Österreich spielt da keine Rolle.
Nun es geht in dieser Aufsicht um den Ernstfall, also die Schieflagen von Banken. Solange alle gut verdienen (wie derzeit) ist es egal. Simpel ausgedrückt: Wer 130 auf der Autobahn fährt, dem kann ein „scharfes‘“ Radar wurscht sein.
Was aber passiert, wenn die Geschwindigkeits-Begrenzung deutlich überschritten wird? Im Finanzwesen gibt es hier eine Besonderheit. Bevor eine Bank pleite geht, meldet sie einen sogenannten Liquiditätsbedarf an. Das liegt am globalen Kapitalmarkt. Eine Euro-Bank mag ausreichend Eigen-Kapital haben, aber vielleicht zu wenige US-Dollar für tägliche Geschäfte.
Es ist die Geschichte von „Mary Poppins“, in der wenige Pennies genügen, um eine Bank zu ruinieren:
(schaut euch das an: https://www.youtube.com/watch?v=xE5klz0yUT0).

„Zuerst brauchen die Banken Liquidität, kein Kapital. Und diese Liquidität kommt von der EZB beziehungsweise den Notenbanken. Und wie soll eine Notenbanken Banken Geld zur Verfügung stellen, wenn sie keine Ahnung mehr hat, wie es dieser Bank geht?“, fragte eine Banker, der nicht genannt werden wollte.
Im Klartext könnte es also sein, dass die Europäische Zentralbank besser über die heimischen Institute Bescheid weiß als die Nationalbank. Das ist ein seltsamer Zustand, denn die EZB akzeptiert in ihren Gremien (auch jenen der Aufsicht) nur Personen, die aus diesen Notenbanken kommen. Es wäre der OeNB nicht möglich, Personen aus der FMA für europäische Bankenaufsichtsagenden zu nominieren.
Das wäre aber in der kommenden Struktur notwendig.

„Die neue Aufsicht ist schlecht, aber politisch akkordiert. Es geht jetzt darum, das bestmöglich umzusetzen“, ist aus einer eher frustrierten Nationalbank zu hören. Diese Umsetzung hängt an mehreren innenpolitischen Seilen. Die Nationalbank gehört der Republik. Die Geldpolitik, also das Herzstück, wurde aber mit dem Euro-Beitritt an die EZB abgegeben. Allerdings hat die Nationalbank meistens hohe Gewinne, deren Ausschüttung dem Budget zu gute kommt – und die druckt die Banknoten.
Das machte sie seit je her zu einem beliebten politischen Ziel, bisher spiegelt sie im wesentlichen die Sozialpartnerschaft wider. Damit ist in der neuen Regierung Schluss. Gewerkschaften und SPÖ-nahe Finanzexperten sind so gut wie draußen. Der dieser Gruppe zuzuordnende Gouverneur Ewald Nowotny tritt 2019 ab. Es besteht insgesamt aus vier Mitgliedern, zwei werden derzeit der SPÖ, zwei der ÖVP zugeordnet. Wobei diese Zuordnung wenig über deren Qualifikation aussagt, sämtliche Personen sind als Experten in ihrem Gebiet anerkannt.
Der in der ÖVP beheimatete Präsident des Generalrates ist seit kurzem Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer. In der aktuellen Ausschreibung fürs Direktorium, das schon immer ein Objektivierungs-Placebo gewesen ist, ist aber der FPÖ-Mann Robert Holzmann als Gouverneur gesetzt. Der nächstes Jahr 70jährige Holzmann ist eigentlich in Pension, war Direktor in der Weltbank, einer „Schwester“ des Internationalen Währungsfonds in Washington, und gilt als ausgewiesener Experte. Einer heimischen Karriere stand bisher nur seine FPÖ-Nähe im Weg, das ist nun nicht mehr der Fall.
Sollte allerdings die FPÖ, wie aus einem geleakten SMS von Parteiobmann und Vizekanzler Hans Christian Strache in der neuen Regierung noch einen Direktor dazu bekommen, dann haben sie dot die Mehrheit. Denn der Gouverneur verfügt über ein sogenanntes Dirimierungsrecht, hat also bei Gleichstand quasi eine Stimme mehr. Das war bisher nie der Fall. Angesichts der Verantwortung des Direktoriums eine überaus weise Entscheidung. Ob diese Weisheit in Zukunft auch gilt, bleibt abzuwarten.
Denn die Regierung will dem Vernehmen nach die die grundsätzlich sozialpartnerschaftliche Nationalbank auf ihrem Altar opfern, dessen weltanschauliche Basis noch nicht allen klar ist. Und als offene Volkswirtschaft, die zu zwei Drittel vom Export lebt, ist eine in der EZB mitspracheberechtigte Oesterreichische Nationalbank zu wichtig, um provinzielles Kleingeld damit zu wechseln. Umso mehr, als die nächste Finanzkrise so sicher kommt wie die personellen Wünsche von Regierungsparteien an die Notenbank…

(Artikel wurde am 20. November um 19 Uhr 40 aktualisiert.
Siehe auch: https://www.oenb.at/Ueber-Uns/Organisation/Organe.html )