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Erstellt am 27.02.2025

Leuchttürme müssen auch eingeschaltet werden

von Reinhard Göweil

Wenn alle Arbeitspapiere von Regierungen seit – sagen wir 1995 – umgesetzt worden wären, müssten in Österreich Milch und Honig fließen. Dass dem nicht so ist, rückt ihre Bedeutung im politischen Alltag an den richtigen Platz. Dass dieses österreichische Regierungsprogramm jetzt so genau unter die Lupe genommen wird, liegt eher am Zustandekommen bzw. an dem 150tägigen Sandkasten-Spiel der Volksvertreter, das der Republik und verblüfften Beobachtern in Europa zugemutet wurde. Um es kurz zu machen: Die politischen Leuchttürme darin müssen erst eingeschaltet werden. Es gibt viele gute Absichtserklärungen, die ab 2027 in Angriff genommen werden. Vorher gibt es – sorry, liebe Bürgerinnen und Bürger – kein Geld, nur Schulden.

Das Hauptaugenmerk der Dreierkoalition liegt eindeutig auf dem Doppelbudget für heuer und 2026. So gilt es heuer 6,4 Milliarden Euro einzusparen und nächstes Jahr nochmals 2,3 Milliarden Euro draufzulegen. Sollte sich das bis April nicht ausgehen, könnte es immer noch ein EU-Defizitverfahren geben, das aber im ersten Jahr das Staatsdefizit weniger stark bremst, da müssten vier Milliarden Euro rausgeschnitten werden. Dafür halt 2026 dementsprechend mehr.

„Die kommenden zwei Jahre werden hart“, bereitete Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger den Boden bereits auf.

Denn die Konjunkturprognose, auf der die ohnehin schlechten Zahlen ruhen, wird nicht halten. Für heuer wurden 0,6 Prozent Wachstum und für 2026 1,2 Prozent vorhergesagt. Das ist die Basis für die aktuellen Budgetschätzungen. Nun wird es heuer wohl bestenfalls eine schwarze Null werden und die 1,2 Prozent für 2026 können wir uns auch aufmalen. Eine zusätzliche Verschlechterung der Wirtschaftslage tritt ein, wenn US-Präsident Donald Trump seine Ankündigung wahr macht, ab März oder April auf alle EU-Lieferungen 25 Prozent Zoll einzuheben. Und das wird er wohl. Dann reden wir von einer Fortsetzung der Rezession, also einer schrumpfenden Wirtschaft, insbesondere Industrie. Seit 2022 ist die Arbeitslosenrate ohnehin schon von 6,3 auf mehr als sieben Prozent gestiegen. Rezession und Arbeitsplatzangst killt die Konsum-Ausgaben der Arbeitnehmer und die Investitionsfreude von Arbeitgebern.

Diese toxische Mischung aus folgenden höheren Sozialausgaben und niedrigeren Steuereinnahmen erhöht das Budgetdefizit, das mit Mühe unter die 3-Prozent-Grenze geprügelt werden soll. Und damit den sogenannten Konsolidierungsbedarf, sprich: Einsparungen plus Steuer- und Beitragserhöhungen.

Wenn also die genannten Zahlen nicht halten, dann hat sich die neue Dreier-Koalition zwar auf weitere Einnahmen von etwas über einer Milliarde Euro geeinigt (Banken-, Energiekonzern-, Immobilienkonzern-Abgaben), doch die sind eigentlich für aktive Standort- und Qualifizierungs-Maßnahmen geplant. Das Geld wird eher vonnöten sein, um kommende Löcher zu stopfen.

Auf den künftigen Finanzminister Markus Marterbauer, der aus Überzeugung Krisen eher mit höheren Defiziten bekämpfen möchte, kommen jedenfalls harsche Zeiten zu.

2026 hätte er dann mit einem zusätzlichen Problem zu kämpfen: Ab dann soll der Familienlastenausgleichsfonds (FLAF), der über Dienstgeberbeiträge auf die Lohnsumme finanziert wird, schrittweise ins Budget geführt werden. Das ist zwar schwammig formuliert im Regierungsprogramm, wäre aber eine deutliche Senkung der Lohnnebenkosten für Unternehmen. Auf das Budget kämen freilich neue Belastungen zu und nicht zu knapp. Der FLAF finanziert Familienbeihilfe, Kinderbetreuungsgeld, Schülerfreifahrt, Schulbücher und gibt jährlich dann 8,5 Milliarden Euro aus. Eine schlagartige Umstellung des FLAF ins Budget würde das Defizit von derzeit zirka vier Prozent um satte 1,5 Prozent in die Höhe treiben. Auch schrittweise wird es ab 2026 kaum zu stemmen sein.

Und dann wäre da noch die unausweichliche Erhöhung der Budgetausgaben für das Bundesheer, dass sich in der neuen Welt-Unordnung deutlich stärker aufstellen wird müssen. Die Friedensdividende in den Jahren davor hat Österreich verfrühstückt, was zweifellos Konsum und Sparquote beförderte, aber das Geld ist weg.

Wie die wirklichen Reformen dieser Regierung also angegangen werden, erschöpft sich im Programm in zweifellos richtigen, aber bekannten Analysen der Notwendigkeiten. So soll etwa der Stabilitätspakt zwischen Bund, Ländern und Gemeinden neu verhandelt werden. Das ist eine gute Idee, aber nicht mehr als ein Satz. Dahinter steckt die Neuordnung der Finanzgebarung der öffentlichen Körperschaften. Denn die EU macht keine Unterschiede, sondern betrachtet – richtigerweise – Österreich als Einheit. Die Staatsfinanzen umfassen Bund, Länder, Gemeinden, Sozialversicherungen und die großen staatlichen Infrastrukturunternehmen wie die ÖBB.

Am Ende bzw. am Anfang bezahlt der Steuerzahler deren Ausgaben, unabhängig von Zuständigkeiten. Und die sind verworren genug: So beschließt das Parlament den Umfang der Sozialversicherungs-Leistungen, aber zuständig sind die von den Kammern kontrollierten Sozialversicherungen. So sind die Länder zuständig für Spitäler, aber die Sozialversicherungen zahlen dort viel Geld ein. In der Schule haben die Länder das Sagen, der Bund bezahlt aber die Lehrer, die Gemeinden das Schulgebäude.

Dieses innerösterreichische Tohuwabohu ist der EU egal. Am Ende sind öffentliche Einnahmen das was sie sind und Ausgaben sind ebenso – Ausgaben. Ähnlich wie die EU werden das auch Bürger sehen, denen es ziemlich egal ist, welcher Finanzierungsstrom dahintersteckt, wenn sie gerade irgendwo bürokratisch scheitern. Das Tohuwabohu ist hausgemacht, die EU kann da gar nix dafür – und Ordnung bietet dieses Regierungs-Programm nicht an.

Das de-facto-Regierungsprogramm ist festgezurrt für die kommenden zwei Jahre, aber nicht bis Herbst 2029, dem offiziellen Ende der Legislaturperiode. Und ob die Politik aktuell das Vertrauen genießt, die nach 2026 geäußerten Absichtserklärungen in die Tat umzusetzen, kann getrost verneint werden. Genau das müsste diese Regierung rasch beweisen – und jetzt das richtige tun. Leuchttürme wurden darin nicht eingeschaltet, sondern bloß für 2027 und danach versprochen. Das ist mehr als bedauerlich, denn auf rauer See und unter dunklen Wolken befinden sich aktuell die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes.