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Erstellt am 09.06.2021

Staatsholding ÖBAG – wenn Macht mit Strategie verwechselt wird

von Reinhard Göweil

Thomas Schmid stolperte in der ÖBAG über eine simple Tatsache: Macht und Strategie sind unterschiedliche Begriffe. Der aus dem politischen Umfeld der ÖVP stammende Stabsfunktionär Schmid hat die sogenannte Linienfunktion eines Managers nie begriffen. Nun zog der Aufsichtsrat der Staatsholding ÖBAG die Bremse. Das war offenkundig vorbereitet, man wartete die Bestellung des neuen OMV-Chefs ab, an der die ÖBAG bestimmender Aktionär ist und Thomas Schmid bestimmendes Aufsichtsrats-Gremium. Ein kluger Schritt, die OMV ist als Energie-Lieferant ein für Österreich wesentliches Unternehmen. Das ist erledigt, nun übernimmt die Prokuristin Christine Catasta interimistisch der Ruder in der ÖBAG. Als davor langjährige Chefin des Wirtschaftsberatungskonzerns PwC in Österreich kennt sie die heimischen Großbetriebe sehr gut, da wird nix schiefgehen. Aus – vermutlich Altersgründen – wird sie sich aber nicht bewerben um den Job.

Das zeigt schon die erste Schwäche des von Thomas Schmid als Generalsekretär im Finanzministeriums – und für sich zugeschnittenen – propagierten Alleinvorstands in der ÖBAG: Wenn der ausfällt entsteht grundsätzlich ein Führungsvakuum.

Nun sind die Chats von Thomas Schmid mit seinen aus der türkisen ÖVP stammenden Chefs hinlänglich bekannt, es ist also Zeit, sich die Historie der Staatsholding, früher als ÖIAG bekannt, in Erinnerung zu rufen und in die späten 1980er und frühen 1990er Jahre zu gehen. Als der bisher größte Reformer darf Rudolf Streicher gelten. Der aus der SPÖ stammende Manager und Absolvent der Montanuni Leoben war in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre als zuständiger Minister für die ersten Börsegänge der „Verstaatlichten“ – gemeinsam mit Finanzminister und dann Bundeskanzler Viktor Klima – politisch dafür verantwortlich. Er war es, der damals das Duo Hollweger/Becker als ÖIAG-Chefs installierte. Sie haben die Wiener Börse zu einem ersten Aufschwung geführt, und als Privatisierungsbörse propagiert und damit internationale Investoren angelockt.

Und sie alle haben mit einer schlichten Wahrheit zur bisher größten Entpolitisierung der „Verstaatlichten“ gesorgt: Selbst mit einer Minderheit im Streubesitz an der Börse entstehen Veröffentlichungspflichten, die politische Einflussnahme und den damit verbundenen Personal- und Finanzierungs-Wünschen einen Riegel vorschieben. Ein privater Aktionär stellt politisch motivierten Investitions- und Sponsorgelüsten das schlichte „warum?“ in der Hauptversammlung entgegen. Ein heilsamer Prozess für die politische Blase.

Dass es ausgerechnet SPÖ-Politiker waren, die dies bewerkstelligten mag aktuell seltsam klingen – im Lichte der Politik von der Schmid’schen Chats sogar kurios. Streicher und Ditz scheiterten 1991 schließlich an der Politik Karl-Heinz Grassers‘, der öffentliche Beteiligungen recht günstig veräußerte – wie die späteren Unternehmenswerte zeigten. Am Ende sollte die Strategie Streichers‘ obsiegen, der heute 82jährige kann dies aus der Pension beobachten, und als musisch begabter Mensch ( Streicher ist ausgebildeter Kapellmeister und hat etwa die Niederösterreichischen Tonkünstler dirigiert) in der Kunst Gelassenheit finden.

Zurück in die Zukunft. Heute verwaltet die ÖBAG im wesentlichen minderheitliche, aber durchaus kontrollierende Anteile an der OMV und der A1 Telekom Austria, sowie 51 Prozent an der Post AG und ebenso 51 Prozent an der Verbundgesellschaft. Die Bundesimmobiliengesellschaft BIG und die Beteiligung an einer Pensionskasse vervollständigen das Portefeuille. Getrübt wird die Freude an der Beteiligung an den Casinos Austria, die nach der mehrheitlichen Übernahme der tschechischen Sazka-Gruppe an Wert verloren hat.

Insgesamt reden wir von aktuell etwa 27 Milliarden Euro Beteiligungswert.

Die recht adrett gestaltete Website der ÖBAG dazu zeigt gleichzeitig schon ihr Hauptproblem: Mehr Schein als Sein. Im missionarischen Statement der ÖBAG heißt es, dass Sicherung der kritischen Infrastruktur in Österreich zu den Kernaufgaben des Unternehmens zählt. Nun, das ist bei der Telekom Austria gründlich schief gegangen und es gibt keine erkennbaren Anstrengungen, hier eine Änderung herbeizuführen.

Indirekt könnte auch der Bildungsbereich als kritische Infrastruktur bezeichnet werden, die Schulen (jene im Gebäudebesitz der BIG) könnten etwa räumlich modernisierte Lehrstätten werden. Via BIG könnte die ÖBAG hier durchaus tätig werden, zusätzlich zur WLAN-Ausstattung der Schulen, oder die Begleitung von Spin-offs der Universitäten. Die ÖBAG hindert hier niemand, auch in den Föderalismus innovativ einzugreifen.

Was mit dem Beispiel gesagt werden soll: Die ÖBAG hat sich recht gute Ziele gesteckt, doch sie definiert ihr Erreichen nicht.

Zu diesen Zielen gehört auch eine transparente Berichterstattung, doch die ÖBAG ist das Gegenteil von transparent. Aktiv wendet sich die ÖBAG so gut wie gar nicht an die Öffentlichkeit. Fragen werden entweder nicht oder recht blumig beantwortet.

Sie ähnelt damit mehr einer privaten Familienstiftung, allerdings mit einem ganz großen Unterschied: Die ÖBAG ist ein öffentliches Unternehmen, das öffentliches Vermögen veraltet und mehren soll. Es ist nicht das selbst erwirtschaftetes Eigenkapital von Vorständen und Aufsichtsräten, sondern es ist öffentliches Geld.

Der auf Thomas Schmid folgende Vorstand, der hoffentlich aus zwei Personen besteht, sollte sich ein Beispiel an Hollweger/Becker oder Streicher/Ditz nehmen. Auch diese Teams waren nicht perfekt, aber sie hatten eine unternehmerische Strategie, abseits der Politik. Aufsichtsratsmandate bedeuten Verantwortung. Machtgelüste sind ein schlechter Ratgeber, wie das jüngste Beispiel zeigte.

Als Anregung gemeint: Eigentümervertreter der ÖBAG ist der Finanzminister, also eine Person. Das ist wenig. Vielleicht wäre es gut, hier einen breiteren Personenkreis von Experten institutionell einzubinden. Sätze wie „kriegsts eh alles was du willst“ würden dann nicht mehr fallen. Ein Fortschritt wäre das jedenfalls.