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Erstellt am 15.11.2018

Steuer-lose Digitalisierung

Die politische Panik zum Thema Digitalisierung entstand 2013, als die Universität Oxford 47 Prozent aller Jobs in den USA als durch sie gefährdet beschrieb. 2016 legte das Beratungsunternehmen AT Kearney nach, und meint, die Veränderung der Arbeitswelt würde in Österreich 44 Prozent der industriellen Arbeitsplätze (inklusive Dienstleistungen) bedrohen. In Summe 750.000 Jobs.
Seither finden sich in allen Wahlprogrammen der politischen Parteien Hinweise darauf, sich auf die „Herausforderung Digitalisierung“ vorbereiten zu müssen. Konkrete Vorschläge sind dabei rar, da es sich hiebei um nationale Antworten auf Fragen handelt, die national unlösbar geworden sind. Denn die Digitalisierung hebelt tendenziell nationale Arbeitsmärkte und ihre jeweilige Organisation aus.
Daraus ergeben sich für das politische Handeln mehrere Stränge:
• Die europapolitische Wende.
• Die wirtschaftspolitische Wende.
• Die bildungs- und sozialpolitische Wende.
• Die steuerpolitische Wende.

Die wirkliche Herausforderung liegt in der Vernetzung aller dieser politischen Stränge, anders ist einer Digitalisierung, die sich mit einer globalisierten Wirtschaft trifft, nicht nachhaltig zu begegnen. Es gibt zwar „nationale Spielräume“, doch die können bestenfalls Zeit kaufen, eine Lösung sind sie nicht. Manchmal ist Zeitgewinn wertvoll, weil es keine unmittelbaren Lösungen gibt – mehr aber auch nicht.
Beginnen wir also von unten in dieser Reihung – mit den steuerpolitischen Implikationen.
Anders als die Universität Oxford und AT Kearney kommt das österreichische Wirtschaftsforschungsinstitut IHS (Institut für Höhere Studien) zum Schluss, dass etwa neun Prozent der Beschäftigten akut bedroht sind, also etwa 360.000 Arbeitsplätze. Und von denen entfallen sehr viele auf Minder-Qualifizierte, deren Arbeitslosigkeit schon jetzt bei beunruhigenden 28 Prozent liegt, wie das IHS konstatiert.
Das reduziert das Problem, legt aber den Schwerpunkt auf eine gesamtheitliche Betrachtung der Abgaben eins Landes, was auch die OECD im Rahmen ihres „Base Erosion and Profit Shifting Project“ (BEPS) betont.
Wir reden also nicht nur von Lohn- und Einkommenssteuer und der Umsatzsteuer, die gemeinsam mit mehr als 50 Milliarden Euro für zwei Drittel des Budgetaufkommens stehen, sondern auch jene 56 Milliarden Euro, die via Sozialversicherungsabgaben das gesamte Sozialsystem tragen.
Zweitere sind Versicherungsleistungen und keine Steuern – schon das schafft bürokratische Disruptionen.

Wenn also die Digitalisierung den „Faktor Arbeit“ bedroht, benötigt es einer neuen Definition von Steuern und Abgaben. Um es philosophisch auszudrücken, folgt Österreich steuerpolitisch jener marxistischen Theorie, die am stärksten hinterfragt wird. Karl Marx machte den Mehrwert der Wirtschaft an der Arbeitsleistung fest. Geldtheorien kannte er nicht, sie spielte zu seinen Lebzeiten (1818 – 1883) auch keine Rolle.
Das heimische Steuer- und Abgabensystem folgt dem Prinzip Arbeit schafft Mehrwert. Sozialversicherungen, die überwältigende Bedeutung der Lohnsteuer für das Bundesbudget, bis hin zur Kommunalabgabe der Gemeinden und den Kammerbeiträgen orientiert sich alles an der Beschäftigung auf regionaler bzw. nationaler Basis.

Die Digitalisierung (und der damit verbundenen Automatisierung) dagegen erlaubt es, die Beschäftigung eines Unternehmens grenzüberschreitend zu verteilen, oder manche humane Tätigkeiten auf intelligente Roboter zu übertragen. Wer aber schon als Mitarbeiter in der benachbarten Slowakei Tätigkeiten für ein in Österreich beheimatetes Unternehmen erbringt, zahlt nichts in die heimische Sozialversicherung ein. Und Roboter bezahlen weder Lohnsteuer noch Kommunalabgabe oder Arbeiterkammer-Beiträge.

„Reformen der Steuersysteme müssen sorgfältig geprüft werden“
Woher soll also jenes Aufkommen kommen, das nicht nur das Sozialstaats-Modell Österreich trägt, sondern auch das gesamte Verwaltungs-Gebilde, das sich aus dem Budget finanziert?
„Ebenso müssen Reformen der Steuersysteme sorgfältig geprüft werden, damit sowohl die in den konventionell organisierten Branchen als auch in der Sharing Economy erwirtschafteten Einkommen in vergleichbarer Höhe besteuert werden. Die EU sollte entsprechende Reformen der Mitgliedstaaten fördern und koordinieren.“ Das schrieb der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss im September 2015.

Ein richtiger Satz, aber ohne jegliche Konsequenz. Allein die OECD beschäftigt sich supra-national ernsthaft mit dem Thema, auf Auftrag der G-20. Dieses mächtige, aber politische Gremium ließ bisher allerdings Ernsthaftigkeit in der Umsetzung vermissen.
Auch hier ist ein kleiner wirtschaftsphilosphischer Exkurs notwendig. Der Kapitalismus wandelte sich im Lauf der sozialstaatlichen Entwicklung in einen Konsum-Kapitalismus.
Wenn also die Digitalisierung die Entwicklung fördert, den „Faktor Arbeit“ von Abgaben zu entlasten, müssen neue Einnahmenquellen gefunden werden.
Nehmen wir an, dass die Sozialversicherungsbeiträge von 58 Milliarden Euro in Österreich zu zehn Prozent erodiert werden – dann müssen 5,8 Milliarden „umgeschichtet“ werden, oder ein deutlicher Einschnitt erfolgen..
Die Höhe der Summe lässt wenig anderes zu, als auch Massensteuern zu integrieren, etwa die Mehrwertsteuer und Verbrauchssteuern (etwa auf Transaktionen).
Derartige Hinweise gibt auch BEPS der OECD, von der auch der Begriff der „digitalen Betriebsstätte“ stammt. Der Besteuerung solcher Gewinne im jeweiligen Land, auch wenn das digitale Unternehmen dort keinen Firmensitz hat, wurde auch vom Ecofin – der Rat der EU-Finanzminister – aufgenommen.
Aufgrund des globalen Steuerwettbewerbs, der Konzerne wie Google, Amazon, Facebook begünstigt, ist die Berechnung solcher Gewinne auf nationaler Basis überaus schwierig. In Wahrheit ist die Besteuerung der „digitalen Betriebsstätte“ nichts anders als eine Umsatzsteuer.

Damit wird mit einem Grundsatz internationaler Vereinbarungen gebrochen, wonach die Besteuerung dort anfällt, wo die Wertschöpfung beheimatet ist. Wenn einzelne Staaten dies durchbrechen, drohen politische und rechtliche Konflikte – Doppelbesteuerung würde sicherlich bekämpft werden, und politisch als Protektionismus ausgelegt.

Allerdings gehen die USA in der Trump-Administration bereits diesen Weg, und da die US-Konzerne in der Digitalisierung zu den führenden Unternehmen zählen, wird es für Europa immer schwieriger, hier einen neutralen Weg zu finden.
Die jüngste Entscheidung von Facebook, Inhalte von Medienhäusern auf der Plattform zurückzudrängen und selbst ins Publishing-Geschäft einzusteigen zeigt deutlich, dass die Steuerpolitik die Digitalisierung nur zu einem Bruchteil „steuern“ wird können. Es wird auch die Wettbewerbspolitik eine zunehmend wichtigere Rolle zu spielen haben, und die ist in der EU europaweit geregelt. Die Fiskalpolitik hingegen ist nationale Souveränität.

„Irland musste gezwungen werden, die Milliarden von Google zu nehmen“
Wirtschaftsforscher und -politiker sind daher der Ansicht, dass es zur Aufrechterhaltung des Wohlstandes in Europa im Zeitalter der Digitalisierung auch eine europäische Steuerpolitik geben wird müssen. Das ist ein starker Eingriff in die geltenden EU-Verträge. Das Beispiel Google/Irland zeigt, wie weit die EU davon derzeit entfernt ist. Das kleine EU-Land ist bereit, auf 13 Milliarden Euro Steuernachzahlung zu verzichten, um die Google-Aktivitäten in Irland zu halten. Dass sich die „Europa-Zentrale“ von Google im Nicht-EU-Land Schweiz befindet, ist weniger der Standort-Qualität der Schweiz geschuldet als vielmehr der vom Konzern betriebenen Steuer-Optimierung. Damit ist der Konzern einer direkten Konfrontation mit der EU-Kommission aus dem Weg gegangen, weil eben nicht Brüssel der Ansprechpartner ist, sondern Bern beziehungsweise der Kanton Zürich.

Aufgrund der wirtschaftspolitischen Entwicklung der USA wird es spannend sein zu beobachten, wie sich die EU hier auch innerhalb der OECD positioniert. Zum in Paris sitzenden „think tank“ der Industriestaaten gehören ja auch die USA. Die Organisation besteht derzeit aus 36 Ländern, darunter 25 europäischen. Bis auf die Schweiz, Norwegen und Island gehören alle der Europäischen Union an.
Ob die europäischen Partner allerdings für die nun anstehende Revision von BEPS, also Vorschlägen für ein gerechtes Steuersystem unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Digitalisierung, einig auftreten, wird in Diplomatenkreisen skeptisch beurteilt.

In konservativen Wirtschaftskreisen werden Robotersteuern oder spezielle Abgaben für digitale Unternehmen abgelehnt. Sie würden innovationshemmend wirken, und die ohnehin im Hintertreffen befindlichen europäischen Unternehmen der Branche hätten einen weiteren Wettbewerbsnachteil gegen amerikanische und chinesische Mitbewerber.
Andererseits ergab eine Untersuchung der EU-Kommission, die von der Arbeiterkammer gerne verwendet wird, dass die effektive Gewinnbesteuerung in der digitalen Wirtschaft bei neun Prozent liegt, in der „klassischen Wirtschaft“ dagegen bei 18 Prozent. Und: Länder mit stabilen sozialem Frieden, etwa durch die Sozialpartnerschaft, verzeichnen langfristig höhere Wachstumsraten als jene, die den sozialen Konflikt ausleben.

„Unser heutiges Wohlstandsniveau beruht auf stetigem Wandel“
Industrielle Umbrüche aus der Vergangenheit wie die Erfindung der Dampfmaschine, die Fließband-Massenfertigung oder etwa die elektronische Automatisierung sind zwar auf die Digitalisierung nur bedingt umzulegen, da der weltweite Waren- und Datenverkehr neue Spielregeln aufstellt, aber ein Blick darauf lohnt sich allemal. „Unser heutiges Wohlstandsniveau beruht auf diesem stetigen Wandel“, schreibt die konservative Wirtschaftsplattform „economiesuisse“. Dem ist wenig entgegenzusetzen.

Nun ist – wie Hannes Androsch zu sagen pflegt – Budgetpolitik die in Zahlen gegossene Wirtschaftspolitik. Im steuerlichen Bereich offenbart sich in Europa aber die unterschiedliche Zugangsweise von Weltanschauungen, gebündelt in den Parteien – zum Thema Digitalisierung. Die sozialdemokratischen Parteien wollen vor allem den Sozialstaat festzurren, liberale und einige konservative Parteien setzen auf Wettbewerb.

Dazwischen droht aber eine Generation in Europa durchzufallen, da sich die EU auf keine gemeinsame Linie festlegen kann. Während die einen eine Wertschöpfungsabgabe verlangen, setzen andere auf Breitbandausbau und Bildung – zu Lasten der Sozialausgaben.

Dieser Verteilungskampf für künftige Steuereinnahmen lähmt die europäische Politik. Der kleinste gemeinsame Nenner, den keine Regierung der EU-Länder in Frage stellen wollte, lautet: Die Steuerleistung muss gerecht verteilt werden. Diesen Auftrag erhielt die OECD.
Nicht ganz einfach zu erfüllen, denn die jüngste Steuerreform in den USA heizt den Steuerwettbewerb weltweit nochmals an.

Für die EU bedeutet die Digitalisierung eindeutig, Steuersysteme zu harmonisieren. Hier muss das Rad nicht neu erfunden werden, eine gemeinsame Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer wäre ein eminenter Fortschritt. Die Finanztransaktionssteuer geistert auch schon seit Jahren als Modell herum. Deren Steuersatz würde im Promillebereich liegen, wieviel davon tatsächlich an Kunden weitergegeben wird, liegt an der Konkurrenz-Intensität des Finanzmarktes – und dessen Kontrolle.
Banken ihrerseits haben begonnen, Digitalisierungs- bzw. Change-Manager in ihre Kredit- und Risikoabteilungen aufzunehmen. Geschäftsmodelle werden vor Finanzierungszusagen geprüft, wie nachhaltig sie diesen Wandel bestehen können.

Subventions-Dschungel muss zu einem Subventions-Park werden

Ähnliches wäre den Parlamenten empfohlen, denn auch die öffentlichen Haushalte müssen einen Umstieg bewältigen. Straßen und Schienen zu bauen wird nicht mehr reichen, wenn selbstfahrende Fahrzeuge mit neuen Antriebsmotoren entwickelt werden. Der Subventions-Dschungel, der viel Vergangenheit und Tradition atmet, muss umgestellt werden. Die Bildungspolitik darf sich nicht länger an vorhandenen Mitteln orientieren, sondern an notwendigen Qualifikationen. Das Pflege- und Pensions-System muss vom Finanzierungstropf, den Arbeitgeber und Arbeitnehmer von ihren Löhnen und Gehältern bezahlen, entkoppelt werden.

Der Wandel ist machbar, denn Österreich ist ein reiches Land. Es verschwendet beträchtliche öffentliche Mittel, die zielgerichteter eingesetzt werden können. Es verfügt über eine Bevölkerung, deren Bildungsniveau insgesamt herzeigbar ist.
Aber es benötigt ein politisches Wollen, denn jede Wende benötigt ein Manöver, das vom Steuermann gerufen wird, und an das sich alle an Bord halten.
Angst zu haben wäre – wie immer – ein schlechter Ratgeber.

Die europapolitische Wende

Die vom Brexit überlagerte Debatte um den neuen Finanzrahmen der Europäischen Union 2021 bis 2028 wird eine Nagelprobe werden, wie ernst Europa die Herausforderungen der Digitalisierung nimmt. Die jeweils siebenjährigen Finanzierungsperioden stehen derzeit zur Debatte – Österreichs EU-Präsidentschaft im zweiten Halbjahr 2018 hat und hatte hier spannende Verhandlungen zu leiten.
Wir reden hier von jährlichen Auszahlungen in Höhe von zirka 140 Milliarden Euro.
Das wird von den Mitgliedsstaaten bezahlt, die EU hebt derzeit ja keine Steuern ein. Da deren Unternehmen allerdings von diesen Mitteln wiederum erheblich profitieren, ist dies ein Kreislauf.
Die EU-Kommission will nun eine Aufstockung der jährlichen Mittel auf maximal 1,2 Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsproduktes. Ohne Großbritannien kann das EU-weit mit 14.000 Milliarden Euro prognostiziert werden. Die einfache Rechnung der EU-Kommission: Die Steuer- und Abgabenquote in Österreich liegt bei 42 Prozent, davon entfallen auf die EU derzeit 0,9 Prozent. Die Rückflüsse mitgerechnet, also eine Nettobetrachtung, reduziert sich die Summe auf 0,25 Prozent der Wirtschaftsleistung. Die EU-Kommission meint nun, dass ein Prozent Belastung die Budgets nicht wirklich entlastet, da die EU ja unzweifelhaft erheblichen Mehrwert für heimische Betriebe und Beschäftigung bringt. „Europa muss uns doch mehr wert sein als eine Tasse Kaffee pro Tag“, beschrieb es EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in einem Anflug von Populismus.

Die Frage in Hinblick auf die Digitalisierung lautet aber: Was passiert mit dem vielen Geld? Derzeit fließen 39 Prozent in die Landwirtschaft, 50 Prozent in die sogenannte Kohäsions- und Strukturpolitik, fünf Prozent in die Verwaltung und sechs Prozent in die Außenpolitik (inklusive Grenzschutz).
Hinter dem Wortungetüm Kohäsionspolitik verbergen sich Projekte, die darauf abzielen, die ärmeren EU-Länder reicher zu machen – das Geld kommt vor allem sogenannten „Netto-Empfängern“ wie Polen und Ungarn zu gute, aber auch Beitrittswerbern wie Länder am Westbalkan.
Hier und bei der Landwirtschaft, deren Förderungen um wenigstens zehn Prozent gekürzt werden sollen, müsste es deutliche Verschiebungen geben. Wenn aber Dutzende Milliarden Euro neu verteilt werden, kann man erahnen, vor welchen Verteilungskampf der diversen Gruppen, Regionen, Verbände, Lobbyisten und Länder die EU steht. Eine Entscheidung soll bis Mitte 2019 stehen – vor der danach anstehenden Europa-Wahl.
Länder wie Österreich wollen derzeit das EU-Budget kürzen, da mit einem Austritt Großbritanniens knapp zwölf Milliarden Euro wegfallen würden. Andere Länder wie Deutschland und Frankreich sind bereit, mehr in die Wu zu investieren, aber in stark zukunftsgerichtete Projekte wie Forschung, Bildung, Stärkung der IT-Branche in Europa (und den Rückstand zu den USA und China nicht noch weiter zu vergrößern).

Digitale Betriebsstätte – bestenfalls eine Übergangslösung

Auch wenn die Wahlerfolge europaskeptischer Parteien die Europäische Union derzeit anders definieren, um mit der Digitalisierung erfolgreich umzugehen sind gemeinsame fiskalpolitische Leitlinien unumgänglich. Allein der aktuell eher ratlose Umgang der diversen Steuerbehörden bei Steuerfragen zum Thema Krypto-Währungen zeigt deutlich, dass EU-weite Richtlinien von Vorteil wären. Manche Finanzämter wissen nicht einmal, welche Finanzplattformen zur Kursfestsetzung genommen werden sollen.
Das Beispiel taugt recht gut für den Umgang mit Digitalisierung in Europa. Fiskalpolitik ist in der EU gemäß Verträgen eine einstimmige Materie, es müssen also alle Regierungen zustimmen. Das führt zu enormen zeitlichen Verzögerungen oder macht einheitliche Regelungen generell unmöglich.
Bei der Besteuerung der „digital economy“ griffen die EU-Finanzminister gleich zu Beginn der Debatte denn auch zu Rezepten der Vergangenheit. „Virtuelle Betriebsstätten“, national gegliedert, soll es demnach geben. Damit sollen die Internet-Konzerne, die derzeit durch kluge Konzern-Verschachtelungen ihre enormen Gewinne jeglicher signifikanten Besteuerung entziehen, „erwischt“ werden.
Im Klartext bedeutet das, dass die Gewinne dort zu leisten wären, wo der Konsum stattfindet. Das sündteure IPhone von Apple wird von kalifornischen Software-Entwicklern gestaltet, und vom FoxConn-Konzern in China produziert. In Europa findet so gut wie keine Wertschöpfung statt, hier wird gekauft. Nach der Idee der „digitalen Betriebsstätte“ sollten aber die in Österreich verkauften Smartphones auch hierzulande versteuert werden. Das gilt in noch höherem Ausmaß für die großen Datenhändler wie Google, Facebook, Amazon, Microsoft (LinkedIn), deren Steuerleistung in den kaufkräftigsten EU-Ländern tatsächlich bescheiden ist.
Nun ist das Konzept einer „digitalen Betriebsstätte“ steuerpolitisch nichts Neues, sie hat sich nur nie durchgesetzt. Bisher wird dort besteuert, wo die Wertschöpfung passiert und eben nicht, wo konsumiert wird. Apple zahlt für das Iphone in den USA Steuern, FoxConn in China.
Wenn aber Europa dieser Änderung zustimmt, würden sich im Export erfolgreiche Länder wie Österreich und Deutschland selbst ins Knie schießen. Dann würde beispielsweise die voestalpine ihre in Linz entwickelten und produzierten hochspezialisierten Bleche für die Autoindustrie nicht mehr in Österreich – wie bisher – sondern in Deutschland versteuern, weil dort die Abnehmerindustrie sitzt.
Ob das Österreichs und Deutschlands Steuereinnahmen gut tut, darf bezweifelt werden. Allein die Warenexporte in Österreich entsprechen einer Quote von 37 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Deutschland hat in absoluten Zahlen wertmäßig einen höheren Exportüberschuss als die Volksrepublik China. Die Besteuerung im Konsum-Land war in der Vergangenheit immer wieder eine Forderung von Entwicklungsländern, nicht von hochentwickelten Volkswirtschaften wie die EU.

Wirtschaftsexperten des think tanks EconomieSuisse definierten noch andere Gefährdungen von dieser Art der Besteuerung: Ein restriktiver fiskalischer Umgang mit dem Thema Digitalisierung in Europa würde Innovationen in Europa verhindern.

Google investiert Unsummen in Künstliche Intelligenz
Schon jetzt gibt es eine deutliche Dominanz der Silicon Valley-Konzerne in diesem Bereich. Google investiert auf Teufel komm raus in Künstliche Intelligenz. Google, Microsoft, Cisco und Apple allein horten etwa 500 Milliarden Dollar und agieren damit wie ein „Venture Capital Fonds“ – es wird in so gut alle Bereiche investiert. Es ist also nicht vermessen zu behaupten, dass Europa eine Digital-Kolonie der US-Konzerne bleiben wird.
Das muss nicht schlecht sein, Europa muss aber deutlich mehr in Bildung investieren – und in Fortbildung älterer Arbeitnehmer. Denn die geburtenschwache Jahrgänge würden die Verlagerung von Arbeitsplätzen nach China und Indien beschleunigen.
Damit würde Europa auch die Arbeitsplätze und Wohlstand verlieren.
Eine weitere Fokussierung der Digitalisierung auf die steuerliche Komponente wäre also desaströs.
Der verklärte Blick auf den Sozialstaat, den viele Staaten Europas erreichtet haben, könnte sich als Nostalgie-Falle entpuppen.
Der Nationalismus ist politisch die Anti-These zur Digitalisierung. Es ist vergleichbar, Spieler mit täglichen Heurigen-Besuchen auf eine Fussball-WM vorzubereiten.

Abschließend eine Bemerkung: Die Digitalisierung wird kommen, es gibt keine Möglichkeit sie aufzuhalten. In den kommenden zehn Jahren wird sie erhebliche Auswirkungen auf die Arbeitswelt haben wie wir sie kennen.
Daher ist sie kein Fluch, denn einen solchen kann man bannen.
Segen? Kann sie sein, das wird aber eine klare Vorbereitung bedingen. Wir reden hier von der deutlichen Veränderung von Wertschöpfungsketten. Hier ist die Industrie deutlich weiter als die Politik.
Protektionismus als Antwort?
Ist möglich, die Welt würde dadurch aber in Kriege zurückgeworfen, da in abgeschlossenen Systemen der Kampf um Rohstoffe militärisch gelöst werden würde.

Details zum EU-Vorschlag einer Digitalsteuer:
https://ec.europa.eu/taxation_customs/sites/taxation/files/communication_taxation_digital_single_market_de.pdf